Effektiv oder Effizient?
Wenn wir heute über Digitalisierung reden, ist die weitläufige Meinung es handle sich darum technische Prozesse zu digitalisieren und sie somit effizienter zu machen. Leider führt dieses Verständnis oft in eine Sackgasse.
Bevor wir existierende Workflows bzw. Prozesse mit Hilfe von Software und digitaler Hardware effizienter machen sollten wir prüfen, ob sie noch effektiv sind.
Das Gabler Wirtschaftslexikon definiert Effizienz wie folgt:
Die Effizienz ist ein Beurteilungskriterium, mit dem sich beschreiben lässt, ob eine Maßnahme geeignet ist, ein vorgegebenes Ziel In einer bestimmten Art und Weise (Zum Beispiel unter Wahrung der Wirtschaftlichkeit, der Umweltverträglichkeit, oder dem geringsten Einsatz von Ressourcen) zu erreichen.
Effektivität fast ähnlich definiert, hier fehlt aber der unterstrichene Teil:
Die Effektivität Ist ein Beurteilungskriterium, mit dem sich beschreiben lässt, ob eine Maßnahme geeignet ist, ein vorgegebenes Zie lzu erreichen.
Wer also effektiv handelt, stellt sicher, dass ein Ziel erreicht wird. Es ist dabei Erstmal nicht von Bedeutung, ob dabei bestimmte Kriterien angewandt werden.
Effizienz verlangt die Zielerreichung ebenso, aber unter Einhaltung bestimmter Kriterien wie zum Beispiel möglichst schnell, möglichst billig, möglichst ressourcenschonend.
Effizienz Ist also sie stärkere Forderung. Und genau da liegt das Problem. Weil es die stärkere Forderung ist, scheint die Vorgabe, es billiger oder schneller zu schaffen oft im Vordergrund zu stehen. Dazu kommt, dass die Digitalisierung auf bestehenden Prozessen aufbaut. Wir haben das Ziel bereits erreicht, der Weg ist klar, wir bauen auf jahrzehntelange Erfahrung, jetzt erreichen wir das Ziel mittels digitaler Technik schneller, billiger, ressourcenoptimiert.
Das führt jedoch schnell in die Sackgasse.
Wir Menschen sind durch die Evolution zur Effizienzsteigerung geboren, wir sind Optimierer, Selbstoptimierer, die Effizienz Steigerer. Das hat immer funktioniert. Wenn der Säbelzahntiger hinter uns her war, mussten wir nicht der Schnellste sein: Hauptsache, nicht der Letzte.
Wir sind zwar bereit immer ein bisschen schneller zu werden, damit wir nicht gefressen werden, aber einen einmal eingeschritten Weg zu ändern, zu verlassen, und ganz neue Wege zu gehen, das bereitet uns eher Sorgen: „Das haben wir doch noch nie so gemacht“
So haben wir heute die effizientesten Autos und produzieren diese auch immer effizienter, manche Unternehmen haben aber (beinahe) den Abzweig verpasst.
Das evolutionäre Erfolgsrezept funktioniert nicht mehr in einer volatilen, sich rasch und ständig verändernden Welt.
Wir müssen uns regelmäßig Fragen, ob wir noch auf dem richtigen Weg sind.
Effizienz fordert möglichst schnell, möglichst billig, möglichst viel….
Effektivität fordert die regemäßige Überprüfung, ob wir noch auf dem richtigen Weg sind.
Ein ELSTER Steuerformular, das digital 1:1 die alten Abläufe abbildet, vom Arbeitnehmer, zum Arbeitgeber bis zu den Steuerbeamten mag zwar effizienter sein, ab es ist nicht wirklich effektiv.
Ein digitaler Ausweis, für den ich ein Foto auf Fotopapier ausdrucken (lassen), es anschließend in die Verwaltung tragen muss, damit es dort gescannt wird ist weder effektiv noch effizient, auch wenn der Prozess jetzt einen Scanner und einen PC benötigt.
Bevor sie darüber schmunzeln, sollten Sie als Mitarbeiter oder Führungskraft überlegen, wie die Abläufe in Ihrem Unternehmen aussehen. Passen Ihre Prozesse noch zu denen Ihrer Kunden und Lieferanten. Eine effektive Lösung findet sich nicht im Alleingang. Hier ist eine Prozessinventur aller Beteiligten der Wertschöpfungskette notwendig.
Warten Sie nicht, bis ein anderer sich für zuständig erklärt.
Folgen Sie dem Adler Prinzip. Laden Sie Ihre Kunden und Lieferanten dazu ein, effektiver zu werden. Dann gelingt Ihre Digitale Transformation.
Mehr dazu in der aktuellen Folge des Podcasts Digitalisierung. Er erscheint am 4.11.201: https://wendelgass.com/spotify